Die mit der COVID-19-Epidemie verbundene Gesundheitskrise hat starken Einfluss auf die Tätigkeit von Unternehmen (Stillstand, Reduzierung der Betriebsaktivitäten).
Unabhängig von den Maßnahmen, die von den Staaten getroffen wurden, um Unternehmen während dieser Krise zu unterstützen (Kurzarbeitsmaßnahmen in Frankreich usw.), mussten die Regierungen ebenfalls einige Anpassungen des Insolvenzrechts vornehmen.
Welche Anpassungen des Insolvenzrechts wurden in Frankreich und in Deutschland vorgenommen?
Überblick über die Lage in Frankreich
In Frankreich richtet die Verordnung Nr. 2020-341 vom 27. März 2020 über die Anpassung des Insolvenzrechts für Unternehmen und landwirtschaftlichen Betriebe an den Gesundheitsnotstand und über die Änderung bestimmter strafprozessualer Bestimmungen das Augenmerk, was das Insolvenzrecht angeht, insbesondere auf die:
- Anpassung der Bedingungen zur Bestimmung des Zustands der Zahlungsunfähigkeit
- Anpassung und Verlängerung der Verfahrensfristen
- Anpassung der organisatorischen Gestaltung von Gerichtsverhandlungen.
Anpassung der Bedingungen zur Bestimmung des Zustands der Zahlungsunfähigkeit
Artikel 1 der Verordnung sieht vor, dass der Zustand der Zahlungsunfähigkeit nach der Lage des Unternehmens am 12. März 2020 zu beurteilen ist.
Diese Bestimmung nimmt dem Handelsgericht jedoch nicht die Möglichkeit, dieses Datum gemäß Artikel L.631-8 des Handelsgesetzbuchs auf ein früheres oder – im Falle einer Gläubigerbenachteiligung – auf ein späteres Datum zu verschieben, unbeschadet der Folgen der Nichtigkeit von Rechtshandlungen während des so genannten „Verdachtszeitraums“.
Der Regierung zufolge soll diese Maßnahme es den Unternehmen ermöglichen, während eines Zeitraums, der dem Zeitraum entspricht, für den der Gesundheitsnotstand ausgerufen wurde, verlängert um drei Monate, insbesondere von Maßnahmen und Verfahren zur Vorbeugung der Insolvenz, wie Schlichtungs- und Schutzverfahren, zu profitieren.
Sollte sich die Lage des Schuldners verschlechtern, könnte er jederzeit die Eröffnung eines Sanierungs- oder Liquidationsverfahrens beantragen.
Durch diese Bestimmung können die gesetzlichen Vertreter des insolventen Unternehmens auch persönliche Strafverfolgungen und strafrechtliche Sanktionen vermeiden, wenn sie die Insolvenz nicht fristgerecht während dieses Zeitraums angemeldet haben.
Anpassung und Verlängerung der Verfahrensfristen
Die Laufzeit der Schutz- (Artikel L626-12 frz. Handelsgesetzbuch) und Sanierungspläne (Artikel L631-19 frz. Handelsgesetzbuch) kann ebenfalls auf Antrag durch Entscheidung des Gerichtspräsidenten oder durch Entscheidung des zuständigen Gerichts verlängert werden.
Schlichtungsverfahren (Artikel L611-6 des frz. Handelsgesetzbuches) werden von Rechts wegen um einen Zeitraum von drei Monaten nach Beendigung des Gesundheitsnotstands verlängert.
Anpassung der organisatorischen Gestaltung von Gerichtsverhandlungen
Darüber hinaus wird auf die Formalität des physischen Einreichens der Insolvenzanmeldung bei der Geschäftsstelle verzichtet. Der Schuldner kann das Gericht mittels eines bei der Geschäftsstelle über jedes geeignete Medium einzureichenden Schriftstücks anrufen.
Der Präsident des Gerichts kann sich die Anmerkungen des Antragstellers auf jeglichem Weg einholen.
Ebenso wird auch die Kommunikation zwischen der Geschäftsstelle des Gerichts, dem Insolvenzverwalter und dem Gläubigervertreter sowie zwischen den Verfahrensorganen vereinfacht und kann ebenfalls auf jeglichem Weg erfolgen.
Gemäß den Bestimmungen der Verordnung Nr. 2020-304 vom 25. März 2020 über die Anpassung der auf die Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die in nichtstrafrechtlichen Angelegenheiten entscheiden, sowie auf Verträge von Wohnungseigentumsverwaltern anwendbaren Vorschriften können Gerichtsverhandlungen nunmehr über ein audiovisuelles Kommunikationsmittel stattfinden.
In einer Mitteilung des Vorsitzenden des Pariser Handelsgerichts zur Vorbeugung und Bearbeitung von Unternehmensinsolvenzen vom 5. April 2020 wies das Gericht insbesondere auf folgende Punkte hin:
« Im Bereich der Vorbeugung nimmt die Generaldelegation für Vorbeugung des Gerichts unter prevention@greffe-tc-paris.fr Anträge auf Eröffnung von Ad-Hoc-Verfahren und Schlichtungsverfahren entgegen. Sie organisiert ihre Gerichtsverhandlungen nach digitaler Zustellung der üblicherweise erforderlichen Unterlagen dienstags und donnerstags (außer in Notfällen) per Telefonkonferenz. Auch Auftragserweiterungen, Erweiterungen des Umfangs, Verlängerungen, Beendigung von Aufträgen usw. werden auf digitalem Weg bearbeitet.
Bei Insolvenzverfahren führt das Gericht seine Gerichtsverhandlungen in der Ratskammer per Videokonferenz mit drei Richtern, dem Staatsanwalt und einem Urkundsbeamten nach einem gesicherten Verfahren durch, zur Bearbeitung von: – Anträgen auf Eröffnung eines Schutzverfahrens, – Anträgen auf Eröffnung eines Sanierungs- oder Liquidationsverfahrens, – Anträgen auf Umwandlung von Sanierungsverfahren in Liquidationsverfahren, – der Prüfung eines Fortführungsplans, – der Prüfung eines Übernahmeplans. Die Fälle wurden registriert, wobei den Fällen, die Arbeitnehmer betrafen, Priorität eingeräumt wurde ».
Überblick über die Lage in Deutschland
Die COVID-19-Pandemie stellt die größte Herausforderung für die deutsche Wirtschaft seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland dar.
In dieser Krisenzeit würde die Aufrechterhaltung der Regelungen der deutschen Insolvenzordnung (InsO) dazu führen, dass viele Unternehmen ausschließlich aufgrund der Auswirkungen dieser Pandemie Insolvenz anmelden müssten.
Um diese Folge abzuwenden, verabschiedete der deutsche Gesetzgeber am 27. März 2020 das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“.
Durch dieses Gesetz wurden die folgenden allgemeinen Grundsätze des Insolvenzrechts gelockert:
- die Pflicht zur Stellung eines Antrags auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach § 15a InsO,
- das Zahlungsverbot an die Gläubiger (nach Insolvenzreife) und
- das Verbot der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger nach § 129 InsO.
Aussetzung der Insolvenzantragspflicht:
Grundsätzlich besteht nach § 15a InsO die Verpflichtung, bei Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen:
„Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern, spätestens aber drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, einen Eröffnungsantrag zu stellen.“
Diese Verpflichtung wurde durch das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ für den Zeitraum vom 1. März bis 30. September 2020 ausgesetzt. Jedoch sind zwei Ausnahmefälle auszumachen.
Diese Aussetzung gilt nicht, wenn:
- die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung (so genannte Insolvenzreife) nicht auf die Folgen der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist oder
- keine Aussicht besteht, die derzeitige Zahlungsunfähigkeit zu beheben.
Befand sich der Schuldner jedoch am 31. Dezember 2019 nicht in einem Zustand der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung, wird vermutet, dass die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf die Folgen der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie zurückzuführen ist und dass Aussichten bestehen, die derzeitige Zahlungsunfähigkeit zu beheben.
Lockerung des Zahlungsverbots:
Grundsätzlich besteht nach dem Zeitpunkt des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit oder der Feststellung der Überschuldung ein Zahlungsverbot an die Gläubiger.
Dieses straf- und haftungsbewehrte Zahlungsverbot gilt jedoch nicht für Zahlungen, die nach diesem Zeitpunkt mit der von einem ordentlichen Geschäftsmann geforderten Sorgfalt vorgenommen werden.
Für Zahlungen, die dem Verbot unterliegen, hat der Insolvenzverwalter ein Wahlrecht. In der Tat kann er die geleisteten Zahlungen entweder vom gesetzlichen Vertreter der insolventen Gesellschaft oder vom begünstigten Dritten zurückfordern.
Soweit die Pflicht, einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen, durch das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ ausgesetzt ist, gelten Zahlungen im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmannes vereinbar. Dies gilt insbesondere für Zahlungen, die der Aufrechterhaltung oder Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs oder der Umsetzung eines Umstrukturierungsplans dienen.
Lockerung des Verbots der Benachteiligung der Insolvenzgläubiger:
- 129 InsO bestimmt, dass:
„Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vorgenommen worden sind und die Insolvenzgläubiger benachteiligen, kann der Insolvenzverwalter nach Maßgabe der §§ 130 bis 146 anfechten.“
Um den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie auf die Wirtschaft Rechnung zu tragen, wurde auch diese Regelung durch das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ gelockert.
Folgende Handlungen werden daher nicht als benachteiligend für die Gläubiger angesehen:
- Rückzahlung bis zum 30. September 2023 eines neuen Kredits, der während des Zeitraums der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gewährt wurde, und
- Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite während dieses Zeitraums.
Dies gilt auch für die Rückzahlung von Gesellschafterdarlehen oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechend, nicht aber für die Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung dieser Rückzahlung.
Während des Aussetzungszeitraums wird auch die Gewährung von Krediten und Sicherheiten nicht als sittenwidriger Beitrag zur Insolvenzverschleppung angesehen.
Rechtshandlungen, die es der anderen Partei ermöglichen, eine Sicherung oder Befriedigung zu erlangen, die diese Partei auf diese Weise und zu diesem Zeitpunkt beanspruchen durfte, können in einem späteren Insolvenzverfahren nicht angefochten werden, es sei denn der anderen Partei war bekannt, dass die Sanierungs- und Finanzierungsbemühungen des Schuldners nicht geeignet waren, dessen Zahlungsunfähigkeit zu beheben.
Entsprechendes gilt für:
- die Leistungen an Erfüllung statt oder erfüllungshalber;
- die Zahlungen durch einen Dritten auf Anweisung des Schuldners;
- die Bestellung einer anderen als der ursprünglich vereinbarten Sicherheit, wenn diese nicht werthaltiger ist;
- die Verkürzung von Zahlungsfristen und die Gewährung von Zahlungserleichterungen.
Anke SPRENGEL
Muriel MAZAUD
Alexander SEITZ 11. Mai 2020